DeutschItalianoEnglish
de
Jetzt buchen.
Bestpreisgarantie!

Unsere Seag’schicht’n

Märchen und Momente, Mystik und Magie

Geschichte oder Geschichten? Traum oder Wirklichkeit? Kaum merklich verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Es raunt der Kuckuck, es flüstert die Zirbe, es gurgelt der kleine Bach. Und alle erzählen Erlebtes und Fantastisches. Rund um den Wolfsgrubner See.

Der schönste Urlaub der Welt

Der Wecker ruft und die Mutter klingelt. Nein, halt, das ist umgekehrt, aber um diese Zeit kann man schon mal was verwechseln. „Marie, Liebes. Raus aus den Federn!“ Im Halbschlaf stellt sich Marie vor, dass sie sich nun auch die Zähne anzieht und die Kleider putzt, die Schultasche ausschlürft und den Kakao auf den Rücken nimmt. „Mariiiie!“ So frühes Aufstehen ist Marie eben noch nicht gewohnt. Die Schule hat ja auch erst seit wenigen Tagen begonnen.
Beim Frühstück fragte die Mama noch: „Na, hast du deine ersten Hausaufgaben auch sorgfältig erledigt?“ Und zu ihrem Erstaunen erhielt sie ein sehr selbstsicheres „Na klar doch! Seeehr sorgfältig.“ zur Antwort. Dabei konnte Marie ein Schmunzeln nicht unterdrücken. „Da stimmt doch etwas nicht.“ dachte sich die Mutter, als sie der hopsenden und pfeifenden Marie durchs Fenster nachblickte. Nein, da war doch ganz bestimmt etwas faul.
„Mein Urlaub.“ Laut und deutlich las Marie vor der Klasse die Überschrift ihres Aufsatzes vor. „Diesen Sommer waren wir die ganze Zeit über in Urlaub.“ Ein Raunen ging durch die Klasse. Ganze 5 Wochen? So lange war noch nie einer von ihnen fort gewesen.
„Wir wohnten direkt am Wasser, bis zum Strand waren's nur 30 Meter. Also gingen wir jeden Tag zum Baden, wir spielten am Ufer, paddelten auf Luftmatratzen weit aufs Wasser hinaus, bis zu einer kleinen Insel, oder ruderten mit dem Boot hinaus, um dort, wo das Wasser sich vor Tiefe olivgrün zeigte, und kopfüber ins Wasser purzeln zu lassen. „Schööön.“ entfuhr es einem Mitschüler. „Ja, und da gab's ganz prima Kinderbetreuung, wenn man wollte sogar den ganzen Tag lang! Also der Ludwig, der konnte so toll Geschichten erzählen, wie sonst keiner. Dem konnte man stundenlang zuhören! Und Karten spielen konnte der! Also den zu schlagen war gar nicht so einfach, aber ich hab' das trotzdem geschafft. Und jeden Tag gab's auch Süßigkeiten. Ganz tolle Plätzchen gab's mit Schokostücken drin, die dann, wenn man die Kekse in die Milch tunkte, ein wenig schmolzen.“ Die Kinder sahen sich an und nickten. Ja, der Urlaub von Marie, der klang ja wirklich fantastisch. An den Ort, da wollten sie auch mal hin, flüsterten sie sich zu.
Marie las ihre Geschichte zu Ende. Sie las vom Baumhaus-Bauen mit dem Papa, erzählte, dass sie im Urlaub ihr eigenes Zimmer hatte, ein ganz kuscheliges, also eines, ganz für sich alleine und wie sie einmal mit dem Ludwig zum Angeln auf den See rausruderte. „Das war der beste Urlaub der Welt.“ schloss sie ihre Erzählung. Die Klasse klatschte vor Begeisterung. Die Lehrerin sah Marie ein wenig verdutzt an, entschied sich aber aufgrund der ausführlichen Beschreibung und der bemühten Wortwahl für eine gute Note, ohne weitere Kommentare.

Nach dem Unterricht aber, holte die Lehrerin Marie für einen Moment zur Seite. „Marie, du hast uns noch gar nicht verraten, wo du denn im Urlaub warst!“ Und Marie zuckte mit den Schultern: „Na daheim halt.“ sagte sie, als läge das wohl auf der Hand. Und auf den verwirrten Blick der Lehrerin hin: „Naja, also wir konnten dieses Jahr ja nicht wegfahren, weil der Opa, der ist ja krank, der Opa Ludwig. Und die Mama hat gemeint, wer weiß, ob wir ihn im nächsten Jahr noch haben, unseren Opa. Und da hab' ich mich halt um ihn gekümmert, den ganzen Sommer lang. Der Opa, der braucht natürlich jemanden der mit ihm Schwarzer Peter spielt und so, der würde sich sonst ja total langweilen. Dass wir dieses Jahr nicht weggefahren sind, das hat mir gar nichts ausgemacht. Der Opa, der hat vollkommen Recht, wenn er immer sagt 'Zuhause ist es doch am schönsten“. „Dann hast du deine Geschichte nur erfunden?“ „Aber neiiiin. Jedes einzelne Wort ist wahr. Und das war wirklich der beste Urlaub der Welt.“ Und dann ging Marie einfach so zur Tür hinaus. Und die Lehrerin blickte der kleinen hopsenden und pfeifenden Maire durchs Fenster hinterher.