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Unsere Seag’schicht’n

Märchen und Momente, Mystik und Magie

Geschichte oder Geschichten? Traum oder Wirklichkeit? Kaum merklich verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Es raunt der Kuckuck, es flüstert die Zirbe, es gurgelt der kleine Bach. Und alle erzählen Erlebtes und Fantastisches. Rund um den Wolfsgrubner See.

Faschingszauber

Marie breitete ihr Zauberergewand am Fuße ihres Bettes aus und strich den silbrig samtenen, sterneübersäten Stoff glatt. Letzte Kontrolle: Auf dem Schreibtisch lagen fein säuberlich Zauberstab und Hut, ebenfalls sternebesetzt. „Morgen verzaubere ich die Schule in einen Abenteuerspielplatz und die blöde Lehrerin in ein …
... in ein Grunzeschwein“, murmelte sie düster...
Draußen polterte es, Marie verkroch sich schnell unter ihre Decke, da kam schon der Opa herein, klopfte mit seinem Gehstock an den Schreibtisch und lachte. „Mariechen, da hast du dir ja was vorgenommen! Als ich ungefähr so alt war wie du, habe ich mich zu Fasching auch als Zauberer verkleidet, weil ich vorhatte die Lehrerin zu verzaubern … in ein Schwein“, flüsterte der Opa verschwörerisch. „Aber du hast hoffentlich nicht vor, auf einem Einhorn in die Schule zu reiten, so wie ich damals?“ Marie riss die Augen auf und schüttelte den Kopf.
„Dann will ich dir mal ein Geheimnis verraten: In der Rosenmontagsnacht hatte es geschneit und ich war ganz früh aufgestanden, damit ich auf meinem braven, wunderschönen Einhorn noch eine Runde um den Wolfsgrubener See reiten konnte. Wie es dahingaloppierte und eine Freude hatte, den frischen Pulverschnee mit seinen Hufen aufzuwirbeln! Ich hatte auch so einen Zauberstab dabei und schmetterte einfach so zum Spaß Zaubersprüche in den Wald. Aber“, der Opa wurde nachdenklich, „ich hatte nicht bedacht, dass ich damit die Waldgeister wecken würde. Als ich den See fast umrundet hatte, knackte es im Gebüsch und der Wolfsgrubener Walddrache lugte plötzlich zwischen den Bäumen hervor. Er war so groß und er brüllte so laut, dass einem das Mark in den Knochen auf der Stelle gefror. Mein braves Einhorn bäumte sich vor Schreck auf und stürzte sich in den See, wo es am Ufer einbrach und feststeckte – und ich flog über seinen Kopf einige Meter weiter auf das harte Eis.“ Der Opa deutete auf sein steifes Knie. Marie nickte. Deshalb also brauchte der Opa seinen Gehstock.
Mit zusammengepressten Lippen saß die Zauberin Marie am nächsten Morgen auf dem Rücksitz von Mamas Auto, die sie in die Schule brachte, und kam sich ein bisschen wie eine Verräterin vor. In der Klasse hatten sich schon einige Zauberer eingefunden, alle unversehrt und kerngesund. Die hatten ja keine Ahnung, welche Abenteuer ein richtiger Zauberer in Wirklichkeit bestehen musste.
Die Lehrerin staunte nicht schlecht darüber, dass an diesem Tag außer einem Piraten und einer kleinen Krankenschwester lauter Zauberlehrlinge in die Schule gekommen waren. Die sonst recht mürrische Person, die ein bisschen so aussah, als ob sie in ihrem Leben noch nie gelacht hätte, verzog ihren Mund zu einem breiten Grinsen und sagte. „Stellt euch vor, gerade ist unsere Alt-Direktorin in der Schule gewesen und hat erzählt, dass sie auch so einen Zauberer in der Klasse hatte, als sie eine ganz junge Lehrerin war. Dieser Lausbua hatte sich verkleidet und den tüchtigen braven Haflingerwallach vom Huberbauern einfach aus dem Stall gefladert. Den hat er dann weiß gekalkt und ihm mit den Hochzeitsstrümpfen von seiner Großmuater ein Horn aufs Hirn gebunden. Dann ist dieser narrische Bua in aller Herrgotts Früh auf dem armen Ross durch die Gegend geritten, dort am See drüben. Geschrien soll der haben wie ein Narrischer, und recht rotzig gelacht, als ihm der Huberbauer mit der Mistgabel hinterher ist. Dann soll aber auf einmal der schmattige Oberbauer dahergekommen sein. Der hatte sich, als erster im Dorf, gerade erst einen Traktor gerichtet und ist damit nichtsahnend am See vorbeigefahren. Von dem lauten Motor aufgeschreckt, ist dem Buben das arme, eh schon drangsalierte Ross durchgegangen und hat ihn auf dem See so abgeworfen, dass es dem Lauser das Knie derschlagen hat. Recht ist ihm geschehen, dem Rotzlöffel“, murrte die Lehrerin und grinste süffisant zur Klasse hin. „Dass ihr mir ja nicht auf solche Ideen kommt!“ Die Klasse lachte. Marie kochte. Marie brodelte. Dann aber fing auch die Lehrerin auf einmal an zu lachen, immer lauter, und sie konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Und je mehr sie lachte, desto rosaroter wurde ihr Gesicht, desto breiter bebten ihre Nasenflügel, desto grunzender klang ihr Gelächter – und desto fester umklammerte Marie ihren Zauberstab.